Zwischen den beiden großen Bördedörfern Atzendorf und Förderstedt, nicht weit von den
Stille Teichen, an deren Stätte vor dem dreißigjährigen Kriege das Örtchen Luxdorf lag, steht
ein uralter, mächtiger Rüsterbaum. Weit hinein ins Land ist er zu sehen. Jeder kennt ihn; und
nur mit einem stillen Schauer naht sich ihm jung und alt. Sechs erwachsene Männer müssen
es sein, die seinen Stamm, der beinahe sieben Meter dick ist, umfassen wollen. Und wollte
jemand bis zur Spitze des Riesen steigen, er müsste eine Leiter nehmen, die 31 Meter lang
wäre. Dem müden Schäfer mit seiner Herde spendet sein Blätterdach im heißen Sommer
erfrischenden Schatten; und auf den großen Steinen, die am Fuße des Rustbaumes liegen,
verzehren die Landleute in der Frühstückspause ihr Brot.
Von dem Baume erzählen sich die Leute in der Gegen eine sonderbare Geschichte:
Einst, als das Dörfchen Luxdorf noch stand, gerieten einmal der Sauhirt und der Schäfer
wegen der Weideplätze in Streit. Jeder wollte zu derselben Zeit hier seine Herde hüten, und
keiner von beiden wollte weichen. Der Streit wurde so heftig, dass der Sauhirt den Schäfer
mit seinem Stabe erschlug und die Leiche heimlich da, wo heute der Rüsterbaum steht,
verscharrte. Doch seine schlimme Tat blieb nicht verborgen. Bald erzählten die Leute des
Dorfes, dass er der Mörder sei. Da beschwor er sich und rief frevelnd aus: „So wahr mein
Stab nicht grünen wird, wenn ich ihn in die Erde stecke, so wahr bin ich unschuldig.“ Dabei
stieß er den Stab in die Erde. Aber siehe! Am andern Morgen grünte der Stab. Der Mörder
wurde nun ergriffen, zum Tode verurteilt und am Galgen, der in der Nähe auf dem
Galgenberg stand, aufgehängt. Aus diesem Stabe aber wuchs der unvergängliche Rustbaum.